Chronik der Winzerkrone

 

Bis zum Jahre 1752 durften die Bauern im Königreich Österreich und Ungarn – so auch Neustift am Walde, damals zum Viertel unter der Enns gehörend – ihre Erzeugnisse nur an Geschäfte oder Wirtshäuser verkaufen. Steuern und Zölle wurden in nicht geringem Ausmaß eingehoben. Zudem gab es in den östlichen Gebieten des Reiches fast keine freien Bauern, daher mußte auch dem Grundherrn der Zehent abgeliefert werden. Im Falle Neustift am Walde und Salmannsdorf war es das Chorherrnstift Dorothea.
Anno 1752 war aber die Ertragslage so schlecht, daß die Bauern im Raum Wiens nicht mehr in der Lage waren, ihren Zahlungen gegenüber der Obrigkeit nachzukommen. Somit faßten sie den Entschluß, zur damaligen Königin von Österreich und Ungarn, Maria Theresia von H.L. nach Schloß Schönbrunn zu pilgern, um für Steuererlaß und Erleichterungen im Verkauf ihrer Erzeugnisse zu bitten. Diese Delegationen wurden in der eben fertiggestellten Menagerie empfangen. Nach Bittreden der jeweiligen Dorfrichter kamen diese mit der Zusage Ihrer Majestät, sich um die Probleme zu kümmern, wieder in die Dörfer zurück.
Diese Intervention bewirkte, daß die Weinbauern, erstmals das Recht erhielten, ihre Erzeugnisse aus der Landwirtschaft unter dem Zeichen des Föhrenbusches selbst und steuerfrei zu verkaufen. Als Dank für diese Maßnahme fertigten die Winzer der umliegenden Orte Wiens festlich geschmückte und verzierte Erntedankkronen an und bedankten sich mittels dieser bei ihrer Landesherrin. Die Winzerkronen wurden dann ein Jahr im Schloß Schönbrunn aufbewahrt. Nach Ablauf dieser Zeit erstattete Kaiserin Maria Theresia von L.H. die Winzerkronen an die Dorfrichter zurück, mit dem Erlaß, daß zum Tage des Kirchenpatrons alljährlich ein Fruchtreifefest abgehalten werden dürfe, aus dem keinerlei Steuern abzugeben seien.
Leider war die Freude der Winzer nur von kurzer Dauer, da ihnen das Buschenschankrecht schon im Jahre 1856 wieder genommen wurde. Die Stadtväter von Wien hatten erfolgreich gegen ein solches Dekret ihrer Majestät angekämpft, weil die Zolleinnahmen der Stadt Wien dadurch beträchtlich geschmälert wurden. Auch Wenzel Anton Dominik Fürst Kaunitz-Rietberg, der neue Staatsminister, tat das Seinige dazu, diese Rechte aufzuheben, da die Finanzierung des Krieges mit Preußen und Schlesien (der als Siebenjähriger Krieg in die Geschichte eingehen sollte) vor der Tür stand. Erst durch Josef II. wurde dieses Recht 1784 modifiziert wieder in Kraft gesetzt und ist bis heute gültig.
Die Winzerkrone selbst wird seit damals im Gerätehaus und Dorfkeller des Stiftes Dorothea, Neustift am Walde Nr. 87, ab 1783 dem Stifte Klosterneuburg zugehörig, aufbewahrt. Im Revolutionsjahr 1843 erwarb der gebürtige Neustifter und Salmannsdorfer Richter Josef Eischer dieses Haus und benannte den Aufbewahrungsraum der Hauerkrone „Kronenstüberl“. Daher wird der Kirtag seit 1754 ununterbrochen in Neustift und Salmannsdorf abgehalten; früher vom Dorfrichter, ab 1843 vom Bürgermeister. Seit 1891 wird der vom jeweiligen Obmann des Weinbauvereines gewählte Weinhüter mit der Abhaltung und Organisation des Kirtags betraut.
Der Festzug besteht aus einer Musikkapelle, dem Weinhüter und den Kronenträgern. Zur Tracht des Hüters gehört ein Stierhorn, das sogenannte Hüterhorn. Die Krone selbst besteht aus Reifen und Bügeln, die mit vergoldeten und versilberten Nüssen verziert sind. Die Nischen zwischen den Bügeln sind schwarz ausgeschlagen und beherbergen vor Spiegeln die originalen Porzellanfiguren, die die „Altwiener Typen“ darstellen.
Der Zug geht von Haus zu Haus und von Buschenschank zu Buschenschank. Jeder vom „Dorf“ wird angestrudelt“. Die Musik nimmt auf einem freien Platz Aufstellung. Die Burschen mit der Krone gehen zu dem Hausvater, senken die Krone und der Hüter begrüßt ihn mit einem Glas Wein. Er läßt ihn über die Krone hinweg „hochleben“. Danach ziehen die Burschen die Krone wieder hoch, der Hüter schlüpft unter ihr hindurch, stößt an und trinkt. Inzwischen setzen die Burschen die Krone in drehende Bewegung und stoßen einen „Juchzer“ aus. Die Musik setzt ein und alles tanzt dazu. Natürlich muß der „Angestrudelte“ zahlen und nach Auskunft einiger Teilnehmer kostet das „a schwares Göld“.
So werden wir Neustifter sicher versuchen diesen Brauch weiterhin hochzuhalten, um unseren Ahnen die gebührende Ehre zu erweisen.

Heute zählt der Brauchtum rund um die Hauerkrone als immaterielles Kulturgut, worauf wir als Familie sehr stolz sind.

Hausgeschichte